Something about Poland

Wir wissen seit Jahren über die europäische Grenzpolitik bescheid. Das Töten und Foltern an den Mauern der Festung Europa wandert in unsere Richtung: Seit Sommer 2021 nutzt der Diktator von Belarus den Fliehendenstrom, um Druck auf die umliegenden Länder auszuüben. Diese fahren entweder die altbekannte Push-back-Taktik und lassen die Ankommenden einfach vor unseren Mauern sterben, oder stecken die Angekommenen in Internierungslager, in denen sie ohne Rechte auf engstem Raum zusammengesperrt werden. Eingeknastet ohne Schuld, kein Richter, der das Urteil spricht.

Da beispielsweise die polnischen Lager jetzt voll sind, Polen also einen Aufnahmestopp ausruft und keine Einwanderung über die polnisch-belarussche Grenze mehr zulassen will, baut der polnische Staat jetzt statt dem schon existierenden Grenzzaun eine Mauer – ganz nach dem Modell Eiserner Vorhang, 200 Meter Freifläche, die rund um die Uhr von Kameras, Bewegungsmelden und schussbereiten Soldaten eingesehen werden, 5 Meter Stahlmasten und darüber Stacheldraht. Das Ganze auf einer Strecke von 180 Kilometern und durch den letzten Europäischen Urwald.

Die 340 Millionen Euro, die für dieses Projekt aufgebracht werden, fehlen an vielen anderen Stellen. Zum Beispiel in der Integration derer, die es bereits über die Grenze geschafft haben und jetzt in vollkommen überfüllten Lagern festsitzen. Hauptsächlich alte Militärbasen, etwa dreimal so viele Menschen wie die maximal geplante Auslastung, die Leute sehen weder Tageslicht noch Ärzte, das Essen ist knapp bemessen.

Gegen die Zustände in den Lagern gab es in letzter Zeit viele Proteste – so zum Beispiel in Krosno. Dort fand am 12.02. eine Demonstration gegen die Kriminalisierung von Migration mit etwa 300 Menschen statt. Sie wurde massiv von der Polizei angegangen, Tränengas und Knüppel hagelten auf die Demonstrierenden. Als sich die Menge anfing, zu wehren, griff die Polizei willkürlich Menschen aus der Menge. Es kam zu 11 Verhaftungen, zwei davon wurden vor ihrem Gefängnisaufenthalt noch ins Krankenhaus gefahren, sporadisch behandelt und in eine Zelle gesteckt. Dank massiver Spenden wurden alle Aktivisti nach 48 Stunden Freiheitsentzug, mehreren Verhören, ohne private Gespräche mit Anwälten und ausreichend Verpflegung gegen insgesamt 50000 Zloty (~10000 Euro) Kaution “freigelassen”. Die Anwalts- sowie Gerichtskosten sind dort nicht mit eingerechnet, genauso wie die Strafe, die allen droht – bis zu zehn Jahre Gefängnis dürfen die Angeklagten für Landfriedensbruch erwarten. Und frei ist in diesem Fall auch relativ: die Auflagen für die Freigelassenen sind hoch. Sieben Leute, die wegen Überschreitung des Unantastbarkeitsrechts und Landfriedensbruch angeklagt sind, dürfen das Land nicht verlassen. Sie müssen sich wöchentlich in einem Polizeipräsidium bei ihrer Meldeadresse melden, haben teilweise Demonstrationsverbot und sind alle auf Bewährung “draußen”. Dieser Zustand wird sich vermutlich bis zum Gerichtsverfahren nicht ändern, wo sie dann ihre eigentliche Strafe erhalten. Da die polnischen Gerichte hoffnungslos überlastet sind, bedeutet das bis zu zwei Jahre Bewährung ohne Verurteilung – für die überwiegend jungen Menschen bedeutet dies, ihre Zwanziger nicht wie geplant ihrem Aktivismus zu widmen, nicht reisen zu können, bei jeder Streife Angst haben zu müssen, dass ihnen nun etwas angehängt oder vorgeworfen wird, das sie für die nächsten Jahre in U-Haft bringt, und sich auszumalen, wie lange sie nach ihrer Verurteilung das Tageslicht nicht sehen.

 



This entry was posted on Saturday, February 19th, 2022 at 10:02 and is filed under General. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. Both comments and pings are currently closed.